Seilbahnen

Wann "platzt der Knoten"?

09.04.2020

Fortsetzung des Interviews mit dem Mobilitätsexperten Claus Bürkle (hier geht es zu Teil 1).

Wo stehen wir in Deutschland beim Aufbau von urbanen Seilbahnen? In den zurückliegenden Jahren sind diesbezüglich viele Städte aktiv geworden.

Nach wie vor wird viel geforscht und diskutiert. Allerdings wird das Thema nicht mehr so belächelt, wie noch vor drei Jahren. Es gibt mittlerweile viele Ausschreibungen zu urbanen Seilbahnen. In Leonberg erstellen wir beispielsweise für die Stadt eine Machbarkeitsstudie.

Außerdem sehen wir, dass viele Firmen hier ein großes Interesse zeigen, wie sie ihre Verkehre zukünftig besser steuern und vernetzen können. Da ist also in den letzten zwei bis drei Jahren viel in Bewegung geraten.

Die Frage scheint also nur zu sein, wann der „Knoten“ endlich platzt?

In einer Stadt oder in einem Ballungsraum ist immer die Regelung der Überfahrtsrechte der kritische Punkt. Wenn man das rechtlich gelöst bekommt, bin ich mir sicher, dass Seilbahnen kommen werden und dass wir schnell erste Beispiele sehen werden, die weitere Nachahmer finden.

Von vielen wiederbelebten Regionalbahnen wissen wir, dass nach einer gewissen Anlaufphase neue ÖPNV-Verbindungen hervorragend angenommen werden. Meist schon nach dem ersten Betriebsjahr. Wir gehen daher davon aus, dass sich auch bei einer Seilbahn die Akzeptanz rasch einstellt.

Wächst bei Haltern und Nutzern von Unternehmensimmobilien die Wahrnehmung, dass ihre Gebäude auch eine „mobile Seite“ haben?

Ja, und dass es so ist, hat uns die Expo Real 2018 gezeigt. Da konnte man viele Fachvorträge rund um das Thema Mobilität besuchen. Zum Zweiten sehen wir, dass sich die Unternehmen verstärkt um ihre Mitarbeiter kümmern. Und dazu gehört auch die Frage, wie die die Immobilien erreichen.

Ein drittes Anzeichen für dieses Bewusstsein ist, dass die Städte zunehmend Mobilitätskonzepte von den ansässigen Unternehmen verlangen. Da müssen Firmen natürlich aktiv werden, was übrigens auch angesichts drohender Fahrverbote in einigen Innenstädten gilt.

In welchen Schritten entwickeln Sie Mobilitätskonzepte für Unternehmen?

Ein erster Schritt ist für uns ein Quick Check der Mobilität rund um die Immobilie in einem sogenannten Mobilitätsausweis. In einem zweiten Schritt, wenn ein Unternehmen wirklich etwas bewegen möchte und die Mobilität nicht nur für den Nachhaltigkeitsbericht oder eine Baugenehmigung benötigt, dann sollte es zunächst unbedingt die Mitarbeiter fragen, was die wollen. Da kommen dann klassischerweise Wünsche wie sichere und überdachte Fahrradstellplätze oder Duschmöglichkeiten auf den Tisch. Daraufhin unterscheiden wir die verschiedenen Nutzergruppen und deren Verkehrsverhalten und ermitteln die verfügbare Verkehrsinfrastruktur, also etwa Bus- oder Straßenbahnlinien. Hierbei fragen wir auch nach der Taktfrequenz oder der Zahl der Parkplätze.

Alle Daten wandern am Ende in ein zu entwickelndes und eng abgestimmtes Mobilitätskonzept. Der dritte Schritt aber zielt auf die Maßnahmen, die umgesetzt werden sollten, um das zuvor definierte Ziel auch zu erreichen. Schließlich muss der Kunde im letzten Schritt eine Gesamte-Entscheidung treffen – für diese oder jene Maßnahme. Wichtig ist, dass die Lösung am Ende resilient ist, das heißt widerstandsfähig gegen Störungen. Konkret: Wenn die Bahn streikt, muss die Firma dennoch weiter erreichbar sein, etwa über Bus oder per Auto.

Gibt es ein Erfolgsrezept für einen funktionierenden Mobilitäts-Plan?

Neben der erwähnten Einbeziehung der Mitarbeiter ist sicher entscheidend, über die Verkehrsträger hinaus die Nahversorgung – wie Bäcker, Friseur oder Restaurants – zu untersuchen. Denn wenn ich eine funktionierende Nahversorgung habe, brauche ich in der Regel keinen zusätzlichen Verkehr, sondern kann alles zu Fuß oder auf einer einzigen Wegstrecke erledigen. Am Ende geht es also darum, Verkehr zu vermeiden, indem man eine Mobilität der Nähe schafft!

Zur Person:
Claus Bürkle
1999 begann Diplomingenieur (FH) Claus Bürkle seine berufliche Laufbahn als Projektmanager bei Drees & Sommer. Dort betreute er komplexe Projekte in unterschiedlichen Bereichen. Seit 2011 ist Claus Bürkle Geschäftsführer bei den Infrastruktur- und Entwicklungsmanagementexperten von Drees & Sommer. Hier liegen seine Schwerpunkte im Bereich Infrastrukturberatung und Mobilität. Claus Bürkle betreut unter anderem Projekte im Bereich der Elektromobilität, des ruhenden Verkehrs, Urbaner Seilbahnen, der verkehrlichen Erschließung, sowie eine Vielzahl an Schieneninfrastrukturprojekten. Aufgrund seiner Projekterfahrung mit Kommunen ist Claus Bürkle Ansprechpartner für die öffentliche Hand. Seit 2017 ist Bürkle Partner der Drees & Sommer-Gruppe.

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