Relokation Tanzsaal

Ein ungewöhnlicher Reisender

23.04.2020

Nach fast 125 Jahren am ursprünglichen Standort zog ein Festsaal von Geislingen nach Beuren um – und wurde so vor dem Verfall bewahrt.

Bauingenieuren hängt der Ruf an, Bestehendes gering zu achten und tagtäglich einer alles verschlingenden Bauwut zu frönen. Dass das ein Trugschluss ist, zeigt ein außergewöhnlicher Umzug. Außergewöhnlich deshalb, weil sich keine Personen mit ihrem Hausrat auf den Weg gemacht haben, sondern gleich ein ganzes Gebäude die Adresse gewechselt hat: der Fest- und Gartensaal des ehemaligen Restaurants „Wilhelmshöhe“ in Geislingen. Absicht war, das 1893 errichtete, vom Verfall bedrohte Haus auf diese Weise der Nachwelt zu erhalten. Mit im Team der Umzugshelfer: Bauingenieure und Projektmanager von Drees & Sommer.

Ziel der „Translokation“, wie es in der Fachsprache heißt, war das knapp 40 Kilometer entfernte Freilichtmuseum Beuren am Fuß der Schwäbischen Alb. Auf dem Gelände des Museums stehen bereits viele historische Gebäude. Auch sie wurden an ihrem ursprünglichen Ort stückweise abgetragen und in Beuren mit den Originalteilen detailliert wiederaufgebaut.

Der Tanzsaal vor seinem Umzug nach Beuren ...

... und in seiner neuen Heimat im Freilichtmuseum.

Stolze Ausmaße

Gleiches sah das Landratsamt Esslingen für den Geislinger Festsaal vor. Das Team von Drees & Sommer unterstützte den Auftraggeber unter anderem bei der Vergabe von Planungs- und Bauleistungen und der Abstimmung mit Bauhistorikern und Sachverständigen, bei der behutsamen Integration der neuen Nutzung und der Einbindung neuster Technik in das historische Objekt.

Nach knapp einjährigem Wiederaufbau wurde der Saal am 17. September 2019 feierlich eröffnet. Er beherbergt in dem rekonstruierten Zeitschnitt von 1953 nun Ausstellungen zur Haus- und Wirtshausgeschichte und ein sogenanntes „Erlebnis.Genuss.Zentrum“. In ihm können Besucher Wissenswertes über regionale Obst- und Gemüsesorten erfahren.

Der Reisende hatte übrigens stolze Ausmaße: Etwa 28 auf 15 Meter misst das eingeschossige Gebäude, seine Firsthöhe liegt bei rund 6,50 Meter. Der Hauptbaukörper ist als Holzrahmenbau errichtet, als Gründung besteht ein umlaufender Betonsockel, der den Saal bislang vor Nässe und Beschädigungen geschützt hat.

Ähnliche Artikel