Alles gleichzeitig?

Wie viel Multitasking steckt im Multiprojektmanagement?

30.01.2020

Gleichzeitig Bier trinken und Fußball gucken – geht gut. Gleichzeitig den rechten Arm kreisen und den linken auf und ab bewegen – schon schwieriger. Gleichzeitig verschiedene, voneinander abhängige millionenschwere Bauprojekte managen und den Überblick über Kosten, Termine und Qualitäten behalten– ein anspruchsvoller Job. Wie das in der Praxis funktioniert, erklären Ralf Molter und Anja Hallemeier.

Komplexe, klare Struktur

Als Multiprojekt gilt ein Projekt, das man in mehrere Einzelprojekte aufgliedert, um es beherrschbar zu machen. Diese Einzelprojekte müssen für sich gesehen auch funktionieren und sich als Projekt organisieren lassen.

Als Teilprojektleitung hält man stets Schnittstellen zum Gesamtprojekt. Meist sind Multiprojekte große Vorhaben mit einem hohen Bauvolumen oder komplexe Projekte, die aus mehreren Baufeldern, Gebäuden oder unterschiedlichen Gebäudearten bestehen.

Ralf Molter, Associate Partner bei Drees & Sommer, hat vor einigen Jahren den Bau des Einkaufszentrums MyZeil in Frankfurt am Main betreut. Da waren die Tiefgarage, das Hotelhochhaus, das Bürohochhaus und die Eventlocation jeweils eigene Projekte. Beim Global Headquarters des Pharmaunternehmens Merck in Darmstadt gab es sogar insgesamt 60 Teilprojekte zu organisieren.

Pädagogik und Psychologie-Kenntnisse von Vorteil

Wer bei Multiprojekten den Überblick behalten will, braucht „eine Ausbildung zum Kindergärtner und sollte ein abgeschlossenes Psychologie-Studium mitbringen“, scherzt Molter. Und doch steckt mehr als nur ein Funke Wahrheit in seiner Aussage.

Wenn in Projekten ganz unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Zielen aufeinandertreffen, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Gespräche führen, in Konflikten moderieren und Entscheidungen herbeiführen, damit ein Projekt weiterlaufen kann – die sogenannten Soft Skills wirken sich in der Projektmanagement-Praxis oft knallhart aus.

Fachliche Organisation wichtiger als Multitasking

Wer dann noch fachlich gut organisiert ist, müsse gar nicht multitaskingfähig sein, also mehrere Dinge zur gleichen Zeit erledigen, findet Molter. „Beim Multiprojektmanagement geht es darum, das große Ganze im Blick zu behalten – jeder muss wissen, was zu tun ist.“

Neben einer ausgewogenen Team-Zusammenstellung unterstützen erprobte Methoden und digitale Tools die Arbeit in Multiprojekten. Dank Building Information Modeling (BIM) sind Informationen durchgängig verfügbar. Lean Construction verfolgt einen prozessorientierten Ansatz und sorgt für Transparenz und Tempo auf der Baustelle. Und das kann gerade bei Großprojekten nicht schaden.

Im Team Wissen und Herausforderungen teilen

Für Anja Hallemeier vom Standort Köln kommt es beim Multiprojektmanagement vor allem auf das Teamwork an. „Es muss regelmäßiger Austausch stattfinden“, findet die Projektmanagerin. „Man muss seine Erfahrungen, sein Wissen und auch Herausforderungen, vor denen man steht, mit Kollegen teilen und daraus schöpfen, dass ein anderer bereits eine solche Herausforderung bewältigt hat.“ Ebenso wichtig sei es, sich nicht im Detail zu verlieren und Prioritäten zu setzen.

Derzeit arbeitet Anja Hallemeier an einem Schulbauprojekt, das aus sieben Teilprojekten besteht, von denen sich einige abermals aufsplitten. Sie gehört zu einem fünfköpfigen Projektmanagement-Kernteam, das von vier weiteren Kollegen aus der technisch-wirtschaftlichen Bauberatung ergänzt wird. Anja Hallemeier betreut zwei dieser Teilprojekte. Außerdem fungiert sie übergreifend für das Multiprojekt als Ansprechpartnerin zum Thema Kosten und ist für die Kostensteuerung und -überwachung zuständig.

Aufgaben gut verteilen

Auch für Anja Hallemeier heißt Multiprojekt nicht gleich Multitasking. „Natürlich laufen die Projekte gleichzeitig, aber nicht alles fällt dabei in den eigenen Aufgabenbereich“, erklärt sie.

Neben der Fähigkeit, Aufgaben priorisieren zu können, ist aus ihrer Sicht sinnvolles Abgeben und Annehmen von Aufgaben wichtig. „Als junge Kollegin muss ich auch mal Aufgaben an ein sehr erfahrenes Teammitglied weitergeben, weil es in dessen Aufgabenbereich fällt und somit auch dessen Kompetenz erfordert. Dabei nehme ich auch Aufgaben von anderen an, wenn es zum Beispiel um das Thema Kosten geht.“

Neues Wissen sofort anwenden

Die Parallelität hat laut Anja Hallemeier auch Vorteile. „Durch die Gleichzeitigkeit mehrerer Teilprojekte aus dem Multiprojekt ist es möglich, an einer Stelle zu lernen und das Gelernte an dem nächsten Teilprojekt direkt in die Praxis einfließen zu lassen.“

Fazit: Multiprojekte sind Projekte mit einer komplexen und gleichzeitig klaren Struktur. Hier gilt es, den Überblick zu behalten, gut zu kommunizieren und hervorragend im Team zusammenzuarbeiten. Digitale Tools können Multiprojekte unterstützen. Ein Multitasking-Talent muss man nicht sein, um ein Multiprojekt erfolgreich zu managen. Aber ein Profi in Sachen Kommunikation und Koordination.

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