Plant for the Planet

Mit mehr Mut zum klimaneutralen Industriestandort

08.05.2019

Felix Finkbeiner, Gründer der Initiative Plant-for-the-Planet, will mit Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt eine Billionen Bäume gegen den Klimawandel pflanzen. Wir haben mit ihm über sein Engagement gesprochen und ihn unter anderem gefragt, welchen Impact sein Anliegen in der (Bau-)Wirtschaft hat.

 

In der Wirtschaft, etwa bei Mittelständlern und großen Unternehmen, nimmt das Thema Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle ein. Inwiefern profitieren Firmen von Nachhaltigkeitsinitiativen wie Plant-for-the-Planet?

Felix Finkbeiner: Wer ökonomisch an der Spitze bleiben will, muss die nächste Generation begeistern. Das sind die Kunden und die hochqualifizierten Mitarbeiter von morgen. Und genau da setzen wir an: Wir bieten den Unternehmen an, sich als First Mover freiwillig klimaneutral zu stellen. Zusätzlich zu allem, was sie sonst schon in Sachen Nachhaltigkeit machen. Denn die bittere Wahrheit ist: Ohne massive Wiederaufforstung werden wir auf eine Klimakatastrophe zusteuern. Wer jetzt etwas dagegen unternimmt, und das freiwillig, ist unser Held.

Deutschland soll der erste klimaneutrale Industriestandort weltweit werden. Klimaneutral und Industriestandort? Ist das nicht ein Widerspruch? Wie kann man diesen auflösen?

Das ist überhaupt kein Widerspruch. Wie werden Sie denn klimaneutral? Erstens, Sie reduzieren die Emissionen, etwa, indem Sie Ihren Fuhrpark auf E-Autos umstellen, indem Sie Strom aus Erneuerbaren Energien einkaufen, Emissionen vermeiden und Energie-Effizienz-Maßnahmen anwenden, wo immer es geht. Das alles passt sehr gut zu einem Industriestandort! Ergänzt wird das alles durch neue Bäume, die das CO2 aufnehmen, das Sie nicht einsparen können.

Wer sind die größten Verhinderer und wer die Treiber von nachhaltigen Veränderungen? Wie gelingt es, die Verhinderer zu ökonomischen Profiteuren der Veränderung zu machen?

Immer dort, wo kurzfristige ökonomische Interessen und Klimaschutz nicht zusammenpassen, wird auch nichts passieren. Aber was wird sich denn langfristig verändern? Wir sehen das heute schon: Kriege werden geführt, weil die Klimaveränderung Menschen ihre Lebensgrundlagen nimmt. In Syrien ging laut einer NASA-Studie dem Bürgerkrieg eine jahrelange Dürre voraus, die die Menschen zwang, in andere Gebiete umzusiedeln. Aber das ist nicht alles: Gebiete werden überschwemmt, sind von Regenfällen und Wirbelstürmen bedroht, Ernteausfälle und Wasserknappheit bringen Geschäftsgrundlagen ins Wanken. Und schließlich können Unternehmen auch kein Interesse daran haben, wenn rechte populistische Parteien angesichts von immer mehr Klimaflüchtlingen unsere Volkswirtschaften abschotten.

Die Bauindustrie gehört zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftszweigen. Was müsste sich Ihrer Meinung nach innerhalb der Bauindustrie ändern, damit wir eine nachhaltigere Entwicklung/Bauproduktion erzeugen?

Es steckt unheimlich viel Potenzial in der Baubranche, was Emissionseinsparung betrifft. Das fängt bei den Baustoffen an – bei der Zement- und Stahlproduktion wird zehn Prozent des weltweit menschgemachten CO2 freigesetzt, Holz bindet CO2. Wir müssen also so viel wie möglich in Holz bauen. Auch beim Energieverbrauch der Gebäude gibt es enormes Potenzial und großartige Möglichkeiten, erneuerbare Energien zu erzeugen.

Derzeit gibt es viel Elend durch humanitäre Katastrophen wie Dürren, Überschwemmungen, Bürgerkriege und vieles mehr. Die grundsätzliche Bereitschaft zu einem Nachhaltigkeitswandel, der nötig ist, um dieses Elend zu beenden, scheint in der Breite vorhanden. Problematisch ist jedoch, dass viel zu wenig gehandelt wird. Die FAZ schreibt hierzu: „Der Sachverhalt der anthropogenen Ursachen des Klimawandels ist trivial: Verfügbares Wissen wird nicht verhaltenswirksam.“ Haben wir ein Umsetzungsproblem?

Tatsächlich bewirkt Wissen allein noch kein anderes Verhalten. Wir haben hier ein Kommunikationsproblem: Was wir brauchen, ist eine positiv-emotionale Kommunikation aus einer vertrauenswürdigen Quelle mit einem einfachen Handlungsanreiz.

Wie gelingt der Schritt vom Wissen zum Handeln?

Wir Kinder und Jugendliche haben gemerkt, dass Erwachsene auf uns hören, denn es geht hier um unsere Zukunft. Wir haben keine versteckten Interessen, wir wollen einfach nur überleben! Und helfen kann uns jeder ganz einfach: Indem er Bäume pflanzt.

Was erwarten Sie von den führenden Industrie-, Automotive- und Logistikunternehmen im Hinblick auf das Thema der CO2-Reduktion?

Dass sie mutig sind! Dass sie jetzt Lösungen angehen, und zwar mit aller Kraft. Wir haben keine Zeit mehr. Das nächste Jahrzehnt zählt. Danach ist es zu spät.

Sie studierten International Relations in London. Was ist ihre Strategie, um Plant-for-the-Planet international noch besser aufzustellen?

Möglichst viele der großartigen jungen Erwachsenen aus unseren 70.000 jungen Botschaftern für Klimagerechtigkeit als Mitarbeiter engagieren, um in den armen Ländern des Südens Pflanzprojekte voranzubringen und in den reichen Ländern Unternehmen zu überzeugen, dass Klimaneutralität unsere und ihre Zukunft sichert.

 

Plant-for-the-Planet und Felix Finkbeiner

Plant-for-the-Planet ist eine Bewegung, die 2007 vom damals neunjährigen Felix Finkbeiner gegründet wurde und die inzwischen von vielen Tausend Kindern und Jugendlichen getragen wird. Ihr Ziel ist es, weltweit eine Milliarde Bäume gegen den Klimawandel zu pflanzen und dadurch gleichzeitig ein Bewusstsein für globale Gerechtigkeitsfragen zu schaffen.

Für sein Engagement erhielt Felix Finkbeiner zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem 2018 das Bundesverdienstkreuz. Seit diesem Jahr studiert er auch Ökologie an der ETH Zürich.

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